Geschmackspolitik - abgeschlossen

Claudia Sedlarz


Die reformierte Berliner Kunstakademie im Kontext von Stadt, Staat und Hof

Im Zentrum der Untersuchung steht die Akademie der Schönen Künste und mechanischen Wissenschaften, deren 1786 eingeleitete Reform mit ihren weitreichenden Wirkungen noch nie ausführlich dargestellt wurde. Die Grundlage dieser Untersuchung bildet die Auswertung der reichhaltigen Aktenbestände der Akademie, die heute größtenteils im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt werden. Diese Materialien waren nur zu einem geringen Teil erschlossen. Auch fehlte biographische Grundlagenforschung sowohl zu den beteiligten Künstlern als auch zu den Beamten, die mit der Organisation des Instituts befasst waren.

Der Aufschwung, den das Berliner Kunstleben im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erfuhr, wurde durch die Akademie gelenkt und gebündelt. Das Thema wird jedoch nicht im Hinblick auf eine Institutionsgeschichte im engeren Sinn, sondern aus einer weiteren Perspektive behandelt, die auch die Einbindung der Akademie in staatlich-bürokratische Reformprozesse, städtisches Leben und höfisches Repräsentationsbedürfnis erfasst.

 

In den Programmschriften der Akademie, den ästhetischen Traktaten der Zeit (prominent bei Schiller, Herder, Wilhelm von Humboldt, Karl Philipp Moritz) bis hin zu Artikeln in den Tageszeitungen und der Unterhaltungsliteratur ist immer wieder von einer individuell wie kollektiv anzustrebenden „Verbesserung des Geschmacks“ die Rede. Geschmack meint weitaus mehr als modisches Empfinden und Konsumbewusstsein. Theorien des Geschmacks sind von vornherein soziale Theorien. Die aufklärerische Auseinandersetzung mit ästhetischer Theorie verdichtet sich in den 1780er Jahren zu einer Ideologie ästhetischer Praxis, die einen stark utopischen Zug enthält. Die Erziehung zum „guten Geschmack“ soll für die Individuen ihre bessere Integration in die Gesellschaft bewirken und damit insgesamt gesellschaftstransformierend wirken.

 

Das Geschmackskonzept propagiert analog zum Bildungskonzept ständige Selbsterziehung und Stellungnahme zu gesellschaftlicher Normen auf der Verhaltensebene. Was „guter Geschmack“ genau ist, läßt sich diskursiv schwer vermitteln, umso wichtiger ist die Ausbildung der Fähigkeit zur Dechiffrierung visueller Zeichen. Dies wird durch den Umgang mit den bildenden Künsten eingeübt. Die Stadt und insbesondere eine Großstadt wie Berlin bietet die Möglichkeit zur Beobachtung aller möglichen Aspekte des Geschmacks und trägt in dieser Hinsicht zur gegenseitigen Erziehung ihrer Bewohner bei. Hier laufen die Themen: Entwicklung eines urbanen Bewußtseins, Modernisierungstendenzen des Staates und die Entstehung eines bürgerlichen Kunstsystems zusammen.

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